Unser Redebeitrag bei der Demonstration „Rebellische Stadt“ am 30.04.2023.
In Flingern an der Ecke Ackerstraße / Lindenstraße hat unser Bündnissprecher Helmut Schneider eine Rede anlässlich des dort stehenden „Lost Place“ gehalten. An der Ecke hatten wir bereits im Dezember 2022 unter dem Titel „Spekulatius gegen Spekulatenen“ protestiert.
Zum Hintergrund des Hauses:
- das Hochhaus wurde 1956 gebaut
- Im Laufe der Jahre haben hier viele Menschen zu erträglichen Mieten gewohnt.
- Seit Jahren steht das Haus leer: Es muss saniert werden. Aber das geht nicht – sagen Bauaufsicht, Brandschutz und die Politik. Also: Abriss.
- Seit 2018 gibt es eine Abrissgenehmigung – passiert ist bis jetzt nichts!- Seit 2019 gibt es eine Baugenehmigung (für eine Wohn- und Geschäfts-haus) – passiert ist bis jetzt – nichts! Die Genehmigung wurde bis 1.7. 2023 verlängert. Ob bis dahin etwas passiert? Wer weiß.
Hier dokumentieren wir die Rede von Helmut Schneider:
„Seit 2020 gehört das Projekt dem Essener Immobilienunternehmen Harfid-Group – inzwischen mehrheitlich im Eigentum des internationalen Immobilien-investors Whitefield.
Und was planen die? Ein sechsstöckiges Gebäude mit 28 hochwertigen Eigentumswohnungen, Loggias, Terrassen und Tiefgarage inklusive.
Das ist natürlich genau das, was Flingern dringend gebraucht hat! Wir haben eine sich rasant verschärfende Wohnungsnot! Wir haben eine immer größer werden Lücke an bezahlbarem Wohnraum! Wir haben schnell steigende Mieten (+11% im Neubau in Düsseldorf seit letztem Jahr!). Und hier sollen teure Luxuswohnungen entstehen!? Man fasst es nicht!
Wann die gebaut werden – und ob überhaupt – das steht allerdings in den Sternen! Denn nach einem über 10-jährigen spekulativen Boom ist der Immobilienmarkt gegenwärtig in eine Flaute geraten. (Bei Adler ist die Blase schon geplatzt).
Nachdem die Immobilienpreise in schwindelerregende Höhen spekuliert wurden, kommen steigende Zinsen und Baukosten nun noch obendrauf! Und das schaffen selbst viele Haushalte mit hohen Einkommen nicht mehr. Die Folge: Das Geschäft mit Eigentumswohnungen läuft derzeit gar nicht gut.
Für uns sind das jedoch keineswegs gute Nachrichten. Denn was heißt das?
- Die Investoren warten derzeit ab, bis wieder bessere Zeiten kommen. Gebaut wird kaum noch.
- Kaufinteressenten, die sich keine Eigentumswohnung mehr leisten können, weichen auf den Mietwohnungsmarkt aus. Folge: Sie treiben die Preise noch weiter in die Höhe.
- Die unschöne Wahrheit ist: Der Immobilienboom ist zwar vorerst ausgebremst, aber die Mieten steigen kräftig weiter!
- Und weil nur noch wenig gebaut wird, nimmt der Druck auf die Bestandswohnungen zu. Wenn man als Investor mit Eigentumswohnungen derzeit nicht das große Geschäft machen kann, dann will man zumindest möglichst teuer vermieten.
- Die Folge: Altmieter werden mit z.T. üblen Methoden verdrängt, rausgeekelt und rausgemobbt, weil man mit Neuvermietung viel mehr verdienen kann.
- Die Stadt Düsseldorf hat kaum rechtliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Das liegt u.a. daran, dass die NRW-Landesregierung den Kommunen rechtliche Instrumente verweigert, die nach Bundesgesetz möglich wären (und in anderen Bundesländern auch angewandt werden!).
- Die nötigen Rechtsverordnungen werden von der Landesregierung einfach nicht erlassen! Wir halten das für einen politischen Skandal!
Das betrifft:
- z.B. die Anwendung des Wirtschaftsstrafgesetzes, das es erlaubt, missbräuchliche Baumaßnahmen zu unterbinden, die nur dazu dienen, Mieter rauszuekeln.
- z.B. eine kommunale Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Verantwortlich ist dafür eine hardcore-neoliberale CDU-Bauministerin – Frau Ina Scharrenbach und ein grüner Koalitionspartner, der sich nicht gegen sie durchsetzen kann – oder will, weil ihm die Wohnungsfrage nicht so wichtig ist.
Wir haben also mächtige Gegner – die Immobilienwirtschaft und die mit ihr verbündete Politik! Wenn wir den Spieß umdrehen wollen, wie es im heutigen Aufruf zur Demonstration der „rebellischen Stadt“ heißt, wenn wir diesem Gegner ernsthaft Paroli bieten wollen, dann müssen wir viel mehr werden, als wir heute sind!
Wir müssen über die Grenzen unserer Milieus und Szenen hinaus die erreichen, die von der sich verschärfenden Wohnungsnot betroffen sind. Darum bemühen wir uns als Bündnis für bezahlbaren Wohnraum. Unsere Möglichkeiten sind natürlich begrenzt, sie allein reichen bei Weitem nicht aus!
Deswegen unser Appell: Helft mit, dass wir mehr werden, helft mit, dass unsere Stimme so laut wird, dass sie nicht mehr überhört werden kann!
In diesem Sinn: Für eine rebellische Stadt, in der nicht renditegierige Investoren bestimmen, wie die Stadt aussieht, sondern die Menschen, die in der Stadt leben!“